Paulines kleine und große Schritte


"hier geht es zur kleinen Geschichte von Pauline"


Januar 2006

Willkommen Sonnenschein!
Pauline Koschel kommt am 27.01.2006 um fünf Uhr morgens in Berlin-Kaulsdorf zur Welt. Die Geburt verläuft problemlos. Ihr Gewicht (3840 g) und die Körpergröße (51 cm) sind normal, die Apgar-Werte ausgezeichnet.

Pauline wächst alleine mit ihrer Mama Ulrike auf. Sie entwickelt sich prächtig und altersentsprechend. Nur mit dem Laufen und Sprechen klappt es nicht so gut.

 

 

August 2007

Pauline kommt in die Kita. Sie ist ein aufgeschlossenes fröhliches kleines „normales“ Mädchen, das etwas spät mit dem Laufen beginnt und nur wenige, ungewöhnliche Worte spricht wie Tor, Baum oder Bär.  Schwierigkeiten bereitet ihr das Herstellen von bestimmten Zusammenhängen so etwa die Antwort auf die Frage „wie macht das Auto?“.

 

November 2007

Pauline verändert sich. In der Kita wandert sie häufig ziellos in den Räumen umher und beobachtet Bäume und Blätter. Sie lässt sich nur ungern auf den Arm nehmen und beruhigen. Das kleine Mädchen sucht keinen Kontakt zu anderen Kindern oder bekannten Erwachsenen.

Auf Drängen ihrer Mama erfolgt eine Überweisung an ein Hör- und Sprachgeschädigten Zentrum. Der Hörtest verläuft jedoch unauffällig.

 

Dezember 2007

Eine Logopädin untersucht Pauline, die keinen Blickkontakt aufnehmen oder halten kann und zu keinerlei Symbolspiel fähig ist.

 

Januar 2008

Die U7-Untersuchung ist unauffällig. Das Ergebnis lautet: Pauline ist motorisch richtig entwickelt, der Bewegungsapparat funktioniert gut. Nur die Sprache ist im unteren Entwicklungsbereich.


Paulines Wesen ändert sich. Sie zieht sich mehr und mehr in sich selbst zurück. Es scheint fast so, als ob sie in ihrer eigenen Welt lebt. Ihre Mama nennt sie liebevoll „unsere kleine Außerirdische“. Nach Ansicht der Erzieherinnen in der Kita liegt Pauline in ihrer Entwicklung deutlich zurück.


Das kleine Mädchen weint nun sehr viel und wirkt oft verzweifelt und mutlos. Schreianfälle treten auf und häufen sich.


März 2008

Noch immer hat sich keinerlei Sprachentwicklung eingestellt hat. Daher bekommt Pauline eine Überweisung zum SPZ (Sozialpädiatrisches Zentrum Friedrichshain) sowie logopädische Therapiestunden. Nach vielen Therapiestunden kann Pauline Blickkontakt suchen und halten! Diese Fähigkeit verbessert sich stetig weiter!

Ein neuer Einschnitt: Die Elternzeit von Paulines Mama ist zu Ende.

Paulines Mama braucht Unterstützung, damit sie die vielen Termine mit ihrer Tochter wahrnehmen kann und ihre Arbeit nicht zu sehr darunter leidet. Die Großeltern helfen mit. Paulines Papa hat sich leider komplett aus der Familie zurückgezogen.


September 2008

Eine Kinderpsychologin und eine Kinderärztin im Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) in Berlin stellen eine Diagnose: Autismus! Entsprechende Entwicklungstests der Psychologen ergeben, dass Pauline, inzwischen zweieinhalb Jahre alt, auf dem Entwicklungsstand eines einjährigen Kindes ist.


November 2008

Nun stellt eine Audiologin fest, dass Pauline nicht richtig hört. Paukenröhrchen sollen eingesetzt und dabei gleichzeitig die Polypen entfernt werden.

Außerdem soll eine BERA (brainstem evoked response audiometry; Hirnstammaudiometrie) durchgeführt werden. Paulines Mama und ihre Familie schöpfen Hoffnung, dass hier der Schlüssel zu Paulines fehlender Sprache liegt. Nach der Operation würde vielleicht alles gut werden!

Am Aufnahmetag in der Klinik sind beide Trommelfelle wieder frei. Eine Operation ist somit nur für die BERA und Polypen notwendig. Das Gehör ist gut. Die Hoffnung sinkt.

Parallel werden im SPZ verschiedene Stoffwechseltests gemacht. Eine Überweisung in das DRK-Krankenhaus Westend erfolgt.

Was fehlt Pauline? Die Ungewissheit ist kaum noch zu ertragen.

 


Januar 2009

Pauline beginnt, um sich selbst spüren zu können, sich mit der Hand und besonders dem Daumen zwischen ihre Rippen zu drücken. Augenscheinlich leidet sie unter starken Wahrnehmungsstörungen. Nun wird immer deutlicher, dass auch alle anderen Sinne von dieser Störung stark betroffen sind.

 

Februar 2009

Ein Ärzte-Marathon beginnt! Der Chefarzt der DRK-Kliniken in Berlin-Westend untersucht Pauline eingehend. Er ordnet eine stationäre Aufnahme für März 2009 an. Geplant sind weitere Tests, unter anderem auch eine Lumbalpunktion und der Array-CGH-Test (Comparative Genomic Hybridization = komparative genomische Hybridisierung / Microchromosomenanalyse).


Bei dieser Untersuchung wird jedes Chromosom geprüft. Die Auswertung dauert bis zu einem halben Jahr. Die letzte Chance für eine Diagnose!


Pauline verlernt immer mehr. So verliert sie in dieser Zeit ihre komplette Sprachfähigkeit. Aus Worten werden nur noch Laute.


Das kleine Mädchen spürt die Verunsicherung ihrer Mama und wird immer anhänglicher und kuschelt viel häufiger.


September 2009

Paulines Mama bringt ihre Tochter in eine neue Kita. Der Kitawechsel erweist sich als sehr gut. Die Kleine fühlt sich sehr wohl, die Erzieher nehmen sich Zeit, die Kinder mögen sie. Pauline bekommt immer mehr Therapien, u. a. Krankengymnastik und Gymnastik im Bewegungsbad. Mama und Kind müssen immer noch früher aufstehen und ihre Zeit immer noch besser einteilen, um alles zu schaffen. Paulines Mama muss oft länger arbeiten, um die Stunden wieder aufzuholen. Es gilt, alles zu unternehmen, um die bereits stattfindende Regression aufzuhalten und vielleicht – hoffentlich! – umzukehren.


Jahresende 2009

Neue Sorgen, Pauline isst und trinkt nicht mehr alleine, will nicht mehr spielen oder malen. Sie kann keine Treppen mehr steigen und ihre Sprache ist völlig verloren gegangen!

Dazu macht sie mit ihren Händen Waschbewegungen – stundenlang. Die Waschbewegungen geben erste Erkenntnisse über Paulines mögliche Erkrankung, das Rett-Syndrom. Allerdings waren die Rett-Tests in der Vergangenheit immer negativ ausgefallen.


Dennoch, die Erkenntnis ist niederschmetternd, Rett bedeutet Regression – Rückschritt!!!!


Pauline beginnt nun auch, mit den Zähnen zu knirschen. Dies steigert sich so sehr, dass ein Schneidezahn durch das Reiben und die Belastung daraus immer kleiner wird.


März 2010

Pauline hat inzwischen Pflegestufe II und einen Behindertenausweis mit 100 % und den Merkzeichen G, H, B.


September 2010

Die DRK-Kliniken in Berlin-Westend stellen eine Diagnose: Pauline ist ein Rett-Mädchen. Sie hat alle klinischen Anzeichen hierfür.

 

Weibliches Geschlecht, autistisch, sie knirscht mit den Zähnen (Bruxismus) und leidet an Hyperventilation. Außerdem knetet sie die Hände und ihr Kopf wächst nicht altersgemäß. Dramatisch ist, dass dies medizinisch nicht eindeutig nachgewiesen werden kann. Um einem Fortschreiten der Krankheit und all ihren Konsequenzen entgegenzuwirken, beginnt Pauline eine Hippotherapie. Ebenso wie die Bewegungstherapie im Wasser bereitet auch der Umgang mit Pferden dem kleinen Mädchen sehr viel Spaß. Dabei verbessert sich auch merklich ihre gesamte Körperhaltung, die Muskulatur wird aufgebaut. Diese Therapie ist jedoch kostenpflichtig, ebenso wie zum Beispiel  Musik- und Klangschalentherapie


Februar 2011

Endlich, die Diagnose! Vier Jahre nach Paulines Geburt. Der Array-CGH-Test ergibt: Bei Pauline wird eine bisher einzigartige Chromosomen-Duplikation am 1. Chromosom (ca. 736kb in 1p36.11) festgestellt.

 

März 2011

Pauline hat in ihrem kleinen Leben bereits einen vollen Terminkalender. Ein Therapieplan sieht einmal in der Woche Ergotherapie, Logopädie, Krankengymnastik im Bewegungsbad, klassische Krankengymnastik und am Wochenende Hippotherapie vor. All diese Maßnahmen sind wichtig, um  Paulines Fähigkeiten zu stützen und zu erhalten.

 

September 2011

In den letzten Monaten verläuft Paulines Entwicklung stark schwankend, es geht stets auf und ab. Zahlreiche Krankheiten und viele Arztbesuche machen ihr und ihrer Mama sehr zu schaffen. Eine wohltuende Erholung war im Juli der langersehnte einwöchige Urlaub an der Ostsee. Pauline genießt den Sand und das Wasser. Inzwischen ist sie deutlich vorsichtiger geworden, aber Wasser ist noch immer ihr Element. Besonders schön ist, dass Pauline nach dieser Urlaubswoche schon verloren geglaubte Fähigkeiten wieder erlangt hat, zum Beispiel Treppensteigen, zur  Toilette gehen sowie die Artikulation von Lauten. Jedoch müssen all diese Fähigkeiten täglich geübt und trainiert werden, ansonsten gehen sie – scheinbar über Nacht – wieder verloren.
Es heißt also „am Ball bleiben“!